Sunday, August 1. 2010
Stierkampfverbot - Ein Grund zum Jubeln?
In der spanischen Region Katalonien wurde durch eine Parlamentsabstimmung mit knapper Mehrheit der Stierkampf ab 2012 verboten. Die Tierschützer jubeln, ohne die Hintergründe dieses angeblichen "Erfolges" zu beachten. Das hat fatale Folgen.
Von den vielen Zeitungsmeldungen dazu waren hingegen zumindest einige kritisch.1 Der eigentliche Grund für dieses Verbot, so wird berichtet, ist die Politik. Katalonien hat separatistische Tendenzen und wollte sich "Nation" nennen, was vom Verfassungsgericht vor wenigen Wochen abgelehnt wurde. Es hatte außerdem Kataloniens Autonomiestatus beschnitten. Der Stierkampf wird als etwas National-Spanisches angesehen, daher kam diese Möglichkeit der Abrechnung gelegen. Die aktuell regierende Partei (PSC), die eigentlich stierkampffreundlich war, ist "eingeknickt", weil sie um ihre Wiederwahl fürchten muss, wenn sie nicht anti-spanischen zeigt. Eine ähnliche Tierquälerei, der "Correbous", bei dem Stiere mit brennenden Teerkugeln an der Hörnern durch die Straßen gehetzt werden, sich schwere Verletzungen zuziehen oder an Herzversagen sterben können, wurde nicht verboten, da es nicht als spanisch angesehen wird. Er wurde vom neuen Gesetz ausdrücklich ausgenommen. Wirtschaftlich stand der Stierkampf in Katalonien ohnehin vor dem Ende. Es gab nur noch eine Arena in Barcelona, die 2009 lediglich 18 Stierkämpfe veranstaltet. Mit Tierschutz hatte dieses Verbot also praktisch nichts zu tun.
"Egal, wodurch es abgeschafft wurde, zumindest werden diese Tiere nicht mehr umgebracht", mag man einwenden. Doch ist es nicht egal, denn so sehr erfreulich es für diese Tiere ist, führen falsche Analysen zu falschen Schlussfolgerungen, in diesem Fall: es wäre durch Tierschutzkampagnen herbeigeführt worden und sei ein signifikanter Erfolg.
Wie dargelegt war die Tierschutzargumentation lediglich der Vorwand für nationalistische Kleinkämpfe. Dagegen nehmen Aktivisten an, es wäre sinnvoll gewesen, Tausende und Abertausende Personenstunden in die Proteste gegen solch kleine und schwache Randbereiche zu investieren. Die Deklaration als "Tierschutz-Erfolg" (wäre es um Tierschutz gegangen, hätten die Correbous mit abgeschafft werden müssen, statt ausdrücklich ausgenommen zu sein) führt dazu, dass die Aktivisten glauben, diese Kampagnen hätten Wirkung gezeigt und werden in Zukunft weiterhin Energie in Kampagnen gegen Randbereiche investieren, anstatt sich endlich dem Kern des Problems, dem Unveganismus der Menschen, zuzuwenden.
Daneben ist es auch eine Frage der Effektivität. Und die ist miserabel, wie bei allen Randbereichen. Bei den verbliebenen 18 Stierkämpfen pro Jahr (Tendenz war fallend) werden insgesamt etwa 100 Stiere getötet. Noch einmal: jahrelange Proteste und Abertausende Personenstunden Aktivismus und am Ende rettet man nur 100 Tiere. Soviele Tiere jährlich haben weniger als drei einzelne Nicht-Veganer auf dem Gewissen.2 Weniger als drei einzelne Personen. Wäre alle diese Energie, die für Proteste gegen Stierkampf aufgeboten wurde, in Aufklärung über Veganismus und Tierrechte investiert worden, hätte man mindestens einige Hunderte Menschen vom Veganismus überzeugen können. Nur sechs neue Veganer wären ein doppelt so großer, nur neun ein dreimal so großer Erfolg und bereits mit einem Bruchteil der Aktivität, die in dieses Thema investiert wurde, erreichbar gewesen.
Natürlich war und ist der Stierkampf gerade für Tierschutzorganisationen ein attraktives Ziel, ähnlich wie "Pelz" oder andere Randbereiche. Der Großteil der Bevölkerung lehnt diese Tierausbeutungsformen bereits aus dem einfachen Grund ab, weil er nicht involviert ist. "Pelz" ist als Luxusprodukt verpönt und die Stierkämpfe werden in Katalonien, wie erwähnt, aus nationalistischen Gründen abgelehnt und waren wirtschaftlich fast am Ende. Noch mehr gilt dies für die Kampagnen, die von nicht-spanischen Tierschutzorganisationen betrieben werden, denn im nicht-spanischen Ausland (von Frankreich abgesehen) haben die Menschen erst recht nichts mit Stierkämpfen (oder Walfang oder "Robbenschlachten") zu tun und es fällt ihnen noch wesentlich leichter, es mit Empörung abzulehnen. Mit anderen Worten: die Kampagnen gegen den Stierkampf rennen offene Türen ein, vermitteln den unveganen und empörten Personen das Gefühl, etwas "für die Tiere getan" zu haben, und fördern damit ihre Bigotterie, sich über das Quälen und Töten von Stieren aus purem Vergnüngen zu echauffieren, während sie selbst aus purem Vergnügen (und Bequemlichkeit) Hühner, Rinder, Schweine und andere Tiere für ihre täglichen Mahlzeiten quälen und töten lassen. Dieses Einrennen offener Türen zusammen damit, ein gutes Gewissen zu verschaffen, ist für die Tierschutzorganisationen natürlich eine wunderbare Möglichkeit, um Spenden zu generieren. Den Tieren insgesamt hilft es leider kaum.
Wie es einer der kritischeren Zeitungsredakteure formulierte:
Für die 100 Stiere ist es ein Tierschutz-Erfolg.4 Für den Aktivismus unter Beachtung der Effektivität ist es eine Katastrophe und ein wenig mehr strategisches Denken ist dringend notwendig, wenn eine vegane Gesellschaft ein realistisches Ziel werden soll. Wahrscheinlich wurden bereits mehr als 100 Tiere allein auf den Siegesfeiern zu diesem "Erfolg" von den Katalanen als Festessen serviert.
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1 "Katalonien verbietet Stierkampf: Es geht um Politik, nicht Tierschutz" (Spaniens Allgemeine Zeitung, 27.07.2010), "Todesstoß für den Torero?" (Süddeutsche Zeitung, 28.07.2010), "Sie sagten Stierkampf und meinten Madrid" (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.07.2010), "Das Stierkampfverbot ist scheinheilig" (Frankfurter Rundschau, 28.07.2010).
2 Bei durchschnittlichem Konsum, gemessen an deutschen Verhältnissen. Der spanische Verbrauch ist wesentlich höher als der deutsche (121 kg/Jahr in Spanien, 84 kg/Jahr in Deutschland an "Fleisch"). Insofern sind auch diese Zahlen eher noch zu gering, als zu hoch.
3 Frankfurter Rundschau, s. Anm. 1.
4 Da die Corrida-Stiere nach ihrem Tod verzehrt werden, sich die Höhe des "Fleisch"-Konsums durch dieses Verbot jedoch nicht ändert, ändert sich lediglich die Tötungsmethode, nicht die eigentliche Anzahl der Tiere.
Von den vielen Zeitungsmeldungen dazu waren hingegen zumindest einige kritisch.1 Der eigentliche Grund für dieses Verbot, so wird berichtet, ist die Politik. Katalonien hat separatistische Tendenzen und wollte sich "Nation" nennen, was vom Verfassungsgericht vor wenigen Wochen abgelehnt wurde. Es hatte außerdem Kataloniens Autonomiestatus beschnitten. Der Stierkampf wird als etwas National-Spanisches angesehen, daher kam diese Möglichkeit der Abrechnung gelegen. Die aktuell regierende Partei (PSC), die eigentlich stierkampffreundlich war, ist "eingeknickt", weil sie um ihre Wiederwahl fürchten muss, wenn sie nicht anti-spanischen zeigt. Eine ähnliche Tierquälerei, der "Correbous", bei dem Stiere mit brennenden Teerkugeln an der Hörnern durch die Straßen gehetzt werden, sich schwere Verletzungen zuziehen oder an Herzversagen sterben können, wurde nicht verboten, da es nicht als spanisch angesehen wird. Er wurde vom neuen Gesetz ausdrücklich ausgenommen. Wirtschaftlich stand der Stierkampf in Katalonien ohnehin vor dem Ende. Es gab nur noch eine Arena in Barcelona, die 2009 lediglich 18 Stierkämpfe veranstaltet. Mit Tierschutz hatte dieses Verbot also praktisch nichts zu tun.
"Egal, wodurch es abgeschafft wurde, zumindest werden diese Tiere nicht mehr umgebracht", mag man einwenden. Doch ist es nicht egal, denn so sehr erfreulich es für diese Tiere ist, führen falsche Analysen zu falschen Schlussfolgerungen, in diesem Fall: es wäre durch Tierschutzkampagnen herbeigeführt worden und sei ein signifikanter Erfolg.
Wie dargelegt war die Tierschutzargumentation lediglich der Vorwand für nationalistische Kleinkämpfe. Dagegen nehmen Aktivisten an, es wäre sinnvoll gewesen, Tausende und Abertausende Personenstunden in die Proteste gegen solch kleine und schwache Randbereiche zu investieren. Die Deklaration als "Tierschutz-Erfolg" (wäre es um Tierschutz gegangen, hätten die Correbous mit abgeschafft werden müssen, statt ausdrücklich ausgenommen zu sein) führt dazu, dass die Aktivisten glauben, diese Kampagnen hätten Wirkung gezeigt und werden in Zukunft weiterhin Energie in Kampagnen gegen Randbereiche investieren, anstatt sich endlich dem Kern des Problems, dem Unveganismus der Menschen, zuzuwenden.
Daneben ist es auch eine Frage der Effektivität. Und die ist miserabel, wie bei allen Randbereichen. Bei den verbliebenen 18 Stierkämpfen pro Jahr (Tendenz war fallend) werden insgesamt etwa 100 Stiere getötet. Noch einmal: jahrelange Proteste und Abertausende Personenstunden Aktivismus und am Ende rettet man nur 100 Tiere. Soviele Tiere jährlich haben weniger als drei einzelne Nicht-Veganer auf dem Gewissen.2 Weniger als drei einzelne Personen. Wäre alle diese Energie, die für Proteste gegen Stierkampf aufgeboten wurde, in Aufklärung über Veganismus und Tierrechte investiert worden, hätte man mindestens einige Hunderte Menschen vom Veganismus überzeugen können. Nur sechs neue Veganer wären ein doppelt so großer, nur neun ein dreimal so großer Erfolg und bereits mit einem Bruchteil der Aktivität, die in dieses Thema investiert wurde, erreichbar gewesen.
Der genaue Wert bei Stieren beträgt 0,006 Mio. - dennoch konzentrieren sich die meisten Bemühungen auf diesen statt auf die anderen Bereiche.
Wie es einer der kritischeren Zeitungsredakteure formulierte:
So lange wir uns mit der Massentierhaltung abfinden, ist unsere Empörung über die öffentliche Hinrichtung von Kampfstieren nur ein scheinheiliges Entlastungsgefühl. Das beschlossene katalanische Verbot der corridas hat den Tierschutz auf der Welt nur unwesentlich vorangebracht.3
Für die 100 Stiere ist es ein Tierschutz-Erfolg.4 Für den Aktivismus unter Beachtung der Effektivität ist es eine Katastrophe und ein wenig mehr strategisches Denken ist dringend notwendig, wenn eine vegane Gesellschaft ein realistisches Ziel werden soll. Wahrscheinlich wurden bereits mehr als 100 Tiere allein auf den Siegesfeiern zu diesem "Erfolg" von den Katalanen als Festessen serviert.
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1 "Katalonien verbietet Stierkampf: Es geht um Politik, nicht Tierschutz" (Spaniens Allgemeine Zeitung, 27.07.2010), "Todesstoß für den Torero?" (Süddeutsche Zeitung, 28.07.2010), "Sie sagten Stierkampf und meinten Madrid" (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.07.2010), "Das Stierkampfverbot ist scheinheilig" (Frankfurter Rundschau, 28.07.2010).
2 Bei durchschnittlichem Konsum, gemessen an deutschen Verhältnissen. Der spanische Verbrauch ist wesentlich höher als der deutsche (121 kg/Jahr in Spanien, 84 kg/Jahr in Deutschland an "Fleisch"). Insofern sind auch diese Zahlen eher noch zu gering, als zu hoch.
3 Frankfurter Rundschau, s. Anm. 1.
4 Da die Corrida-Stiere nach ihrem Tod verzehrt werden, sich die Höhe des "Fleisch"-Konsums durch dieses Verbot jedoch nicht ändert, ändert sich lediglich die Tötungsmethode, nicht die eigentliche Anzahl der Tiere.
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