Der Londoner Leo Hickman versuchte, ein Jahr ökologisch korrekt zu leben. Dafür ließ er sich von einer Bio-Expertin, einem Umweltschützer und einer Verbraucherrechtlerin erklären, wie man sich gesund ernährt, sparsam mit Ressourcen umgeht und welche Konzerne zu boykottieren sind: die Familie fuhr mit dem Zug in den Urlaub statt zu fliegen, das Baby wurde mit Stoff- statt Wegwerfwindeln gewickelt usw. Als Ergebnis entstand das Buch "Fast nackt - Mein abenteuerlicher Versuch, ethisch korrekt zu leben". Zwar antwortet er auf die Frage, ob es irgendetwas gäbe, was er auf keinen Fall aufgeben wolle:
"Fleisch, obwohl einer der Berater der Ansicht war, dass man nur als Veganer wirklich ethisch leben könnte."
"Ich wasche die Windeln unserer Tochter. Kein angenehmer Job", Welt am Sonntag, 13. August 2006
Doch mit seiner Antwort gesteht er ein, daß es lediglich an seinem Willen, ethisch korrekt zu leben, mangelt. Wobei die ethische Korrektheit in diesem Kontext ausschließlich auf ökologische Aspekte beschränkt ist - Veganer leben nuneinmal automatisch wesentlich ressourcenschonender als Unveganer -, während die weit schwerer wiegenden tierrechtsethischen Aspekte völlig ausgeklammert bleiben.
Ja, und das gleich im doppelten Sinn - so kam vor einigen Wochen im Fernsehen ein Bericht über Lopino, den Anbau der Lupine, die Produktion von Lopino und wo Lupinenprodukte überall Verwendung finden, so z.B. längst nicht mehr nur in "Nutztierfutter" (ist eben ein super Eiweißlieferant), sondern für die menschliche Ernährung direkt: als Lupinenquarkmasse (Lopino) oder Mehl in Backwaren, die dadurch besonders aufgewertet werden sollen. Im Bericht war gar vom "Tofu des Nordens" die Rede.
Wenig später entdeckte ich erst in einem Alnatura-Supermarkt (Bio-Supermarkt) und tags drauf in einem Tegut ("normaler" Supermarkt) Lopino im Kühlregal zwischen Tofu und Co. Bis dato konnte man Lopino nur vereinzelt in Reformhäusern oder Bioläden finden, in "meinem" Reformhaus mußte ich ihn sogar bestellen lassen... Doch durch Fernsehen und größere Verbreitung werden die Leute nun mit einer weiteren leckeren veganen Eiweißquelle bekannt gemacht, was die Zahl derer, die der Meinung sind, als Veganer könne man "ja nichts mehr essen" oder zumindest werde man mit Sicherheit "Eiweißmangel bekommen", wieder etwas reduzieren dürfte.
Gut, dass wir darüber geredet haben, es war nicht unspannend, und ein veganer Eintopf ist etwas Leckeres.
"Eintopf der Klassenlosen", taz Berlin lokal vom 26.7.2006
So faßt Andreas Hartmann seine Eindrücke über eine Veranstaltung zum Thema "Science-Fiction und Anarchismus" zusammen, in der es u.a. um Ursula K. Le Guins "Planet der Habenichtse" und "Planet des Ungehorsams" von Eric Frank Russel ging, beides anarchistische Fiktionen aus den Jahren 1974 bzw. 1953.
Daß in der taz, die sonst eher dann von Veganern ohne Häme spricht, wenn es sich um Las Veganer handelt, veganes Essen - ohne Ironie - als lecker bezeichnet wird, ist immerhin ein kleiner Fortschritt.
[Baden war] Brutstätte revolutionärer Ideen, Heimat so großer Radikaler wie Karl-Peter Heinzen und Gustav Struve. Über den Vegetarismus des Letzteren machte sich Alexander Herzen in seinen Memoiren lustig und zitierte ihn mit dem Satz: "Wissen Sie nicht, dass ein Mensch, der sich ausschließlich vegetarisch ernährt, seinen Leib in einem solchen Maße reinigt, dass er nach seinem Tode überhaupt nicht riecht?"
So schräg diese Begründung Struves ist, so beachtlich doch die Leistung, sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts fleischlos zu ernähren. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie schwer es 1988 im Sauerland war. Bittere Auberginen und Blicke wie Fleischermesser von Kellnern, die man um Gemüse bat, waren an der Tagesordnung.
Jens Friebe, "Inmitten begehbarer Musik vom eigenen Schoßhund zerfleischt", taz Berlin lokal vom 1. August 2006
Nicht nur die Bitterstoffe in Auberginen sind mittlerweile weggezüchtet. Die Redewendung "treulose Tomaten" stammt aus dem ersten Weltkrieg und bezeichnete (zunächst verbündete, dann abfallende) Italiener: in Deutschland gelang es nämlich erst später, Tomaten zu kultivieren. Was für Vegetarismus gilt, gilt in diesem Fall erst recht für Veganismus: all denjenigen, die heutzutage ernsthaft und realitätsverkennd jammern, es sei "schwer", vegan zu leben, wäre zu wünschen, sie würden einmal durch ein Zeitloch ein paar Jahrzehnte oder auch nur Jahre in die Vergangenheit fallen.
Während Hannibal noch Elefanten ausbeutete, um die Alpen zu überqueren, Kolumbus in seiner Jugend kein Kartoffelpüree aß und ich, als ich vegan wurde, zig Kilometer fahren mußte, um für sechs Mark eine Flasche Sojamilch zu bekommen, gibt es mittlerweile alle möglichen Sorten Pflanzenmilch an jeder Ecke, Tofu nicht nur im fernen Asien, Lopino im Supermarkt und selbst vegane Convenience-Produkte wie etwa Seitanwurst nicht nur in Spezialversänden für Nischenzielgruppen.
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